Schauspiel von Paul Hengge
Das Urteil
Ein deutscher Verleger soll einen englischen Milliardär erstochen haben und Rabinovicz ist unterwegs von New York nach Hamburg zum Prozess – als wichtigster Zeuge der Anklage. Wir begegnen dem älteren Herren bei einem nächtlichen Zwischenstopp in einer einsamen Flughafenlounge. Dem jüdischen Antiquar stoßen in dieser Nacht seltsame Dinge zu. Er überlässt seinen Platz in der Anschlussmaschine einem Unbekannten. Zum Dank erhält er ein Erster-Klasse-Ticket für den Flug am kommenden Morgen und ein kleines abgegriffenes Buch vom Anfang des Jahrhunderts: eine wertvolle Ausgabe der jüdischen Haggada, die er seit über vierzig Jahren gesucht hat. Und dann beginnt ein geheimnisvoller Fremder mit Rabinovicz ein Gespräch; die Unterhaltung legt sich wie ein Netz um den Mordfall, denn dieser Deutsche hegt eine beunruhigende und leidenschaftliche Anteilname an diesem Delikt. Das Streitgespräch kreist bald um die Schwierigkeiten bei der Suche nach Wahrheit, Lüge und Gerechtigkeit. Rabinovicz wird immer unsicherer.
Rabinovicz lässt sich mit der Haggada ködern. Genauer: mit einer jener seltenen zweisprachigen Ausgaben, die 1900 in Breslau gedruckt wurden. Nur wenige Exemplare konnten Überlebende des Holocaust mit in die Neue Welt retten. Ein Buch, das mit Emotionen belastet ist. Was also - so ist die Schlüsselfrage des Stücks - veranlasst jemanden, diesen Schatz herzugeben, um Rabinovicz für ein paar Stunden aufzuhalten. Steckt der Mörder dahinter? Spielt die NS-Vergangenheit eine Rolle?
Paul Hengge, geboren 1939 in Wien, war künstlerischer Leiter des Theaters am Parkring in Wien, schrieb und arbeitete für Rundfunk, Film, Fernsehen und Theater (u.a. für das Landestheater Salzburg). Für den Film „Das Urteil“ (mit Klaus Löwitsch und Matthias Habich) erhielt er mehrere Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis.