Schauspiel von Esther Vilar
Rothschilds Nachbar
Ausgestellte Harmonie, formvollendete Manieren – Gelassenheit des Wohlstandes – bestimmen die Szene. Man ist unter sich am Cap Ferrat, in der Villa des Großindustriellen David Fallack, argwöhnisch darauf bedacht, seinen Reichtum mit gebührendem Understatement zu genießen: schöne Frauen, rasante Wagen, seltene Kunstwerke. Selbstbewusstsein, Eleganz und Eloquenz sind gefragte Charaktermerkmale, unerlässlich für den, der in die Hierarchie der Mächtigen aufsteigen will.
John O’Connor ist so ein Aufsteiger. Sein Vorstellungsgespräch auf dem Anwesen der Fallacks entspricht allen Erwartungen. Doch dann holt die Brasilianerin Maria, Studentin der Wirtschaftswissenschaften und Verlobte des Jungmanagers, zum Rundumschlag gegen die Arroganz der Reichen aus. Fallacks Frau Tina bemüht sich um das angekratzte Selbstbewusstsein von John, der den Verhandlungstisch zwischenzeitlich verlassen hat. Währenddessen beginnt David Fallack, den Ressentiments, Argumenten und Moralvorstellungen Marias auf den Zahn zu fühlen.
Gekonnt rechnet Esther Vilar mit der Chancenungleichheit unserer Gesellschaft ab, mit Konsumdenken und falschen Hoffnungen: in subtilen, psychologisch ausgefeilten Dialogen.